Lipschitz-Gebiet

In der Mathematik ist ein Lipschitz-Gebiet – oder auch Gebiet mit Lipschitz-Rand genannt – ein Gebiet im euklidischen Raum, dessen Rand in dem Sinne „ausreichend regulär“ ist, dass dieser lokal der Graph einer Lipschitz-stetigen Funktion ist. Anwendung finden Lipschitz-Gebiete in der Theorie partieller Differentialgleichungen. Der Begriff ist nach dem deutschen Mathematiker Rudolf Lipschitz benannt.

Die hier beschriebenen Gebiete werden auch als starke Lipschitz-Gebiete bezeichnet, um eine Verwechselung mit den schwachen Lipschitz-Gebieten zu verhindern, die eine allgemeinere Klasse von Gebieten darstellen.

Definition

Ein Gebiet Ω R n {\displaystyle \Omega \subset \mathbb {R} ^{n}} des euklidischen Raums heißt (starkes) Lipschitz-Gebiet, falls sowohl positive Zahlen δ {\displaystyle \delta } und M {\displaystyle M} existieren, als auch es eine lokal endliche Überdeckung ( U i ) i {\displaystyle (U_{i})_{i}} des Randes Ω {\displaystyle \partial \Omega } gibt, so dass für jedes U i {\displaystyle U_{i}} eine reellwertige Funktion f i {\displaystyle f_{i}} von n 1 {\displaystyle n-1} Variablen existiert, so dass die folgenden Bedingungen gelten:[1]

1. Für eine Zahl R {\displaystyle R} hat jede Teilfamilie von ( U i ) i {\displaystyle (U_{i})_{i}} mit R + 1 {\displaystyle R+1} Elementen die leere Menge als gemeinsame Schnittmenge.
2. Für jedes Paar an Punkten x , y Ω δ := { a Ω : dist ( a , Ω ) < δ } {\displaystyle x,y\in \Omega _{\delta }:=\{a\in \Omega :\operatorname {dist} (a,\partial \Omega )<\delta \}} mit | x y | < δ {\displaystyle |x-y|<\delta } existiert ein i {\displaystyle i} , so dass
x , y V := { a U i : dist ( a , U i ) > δ } {\displaystyle x,y\in V:=\{a\in U_{i}:\operatorname {dist} (a,\partial U_{i})>\delta \}}
gilt.
3. Jede Funktion f i {\displaystyle f_{i}} erfüllt eine Lipschitz-Bedingung
| f i ( ξ i , 1 , , ξ i , n 1 ) f i ( ν i , 1 , , ν i , n 1 ) | < M | ξ i , 1 ν i , 1 , , ξ i , n 1 ν i , n 1 | {\displaystyle |f_{i}(\xi _{i,1},\ldots ,\xi _{i,n-1})-f_{i}(\nu _{i,1},\ldots ,\nu _{i,n-1})|<M|\xi _{i,1}-\nu _{i,1},\ldots ,\xi _{i,n-1}-\nu _{i,n-1}|}
mit der Lipschitz-Konstanten M {\displaystyle M} .
4. Für ein kartesisches Koordinatensystem ( ξ i , 1 , , ξ i , n 1 ) {\displaystyle (\xi _{i,1},\ldots ,\xi _{i,n-1})} in U j {\displaystyle U_{j}} ist die Menge Ω U i {\displaystyle \Omega \cap U_{i}} beschrieben durch
ξ i , n < f i ( ξ i , 1 , , ξ i , n 1 ) {\displaystyle \xi _{i,n}<f_{i}(\xi _{i,1},\ldots ,\xi _{i,n-1})} .

Beschränkte Lipschitz-Gebiete

Falls Ω {\displaystyle \Omega } ein beschränktes Gebiet ist, dann vereinfacht sich obige Definition zu einer einzigen Bedingung. Das beschränkte Gebiet Ω {\displaystyle \Omega } ist genau dann ein Lipschitz-Gebiet, falls der Rand lokal ein Lipschitz-Rand ist. Das bedeutet, dass für jeden Randpunkt x Ω {\displaystyle x\in \partial \Omega } eine Umgebung U i {\displaystyle U_{i}} existiert, so dass die Menge Ω U i {\displaystyle \partial \Omega \cap U_{i}} der Graph einer lipschitzstetigen Funktion ist.[2]

Eigenschaften

  • Jedes C k {\displaystyle C^{k}} -Gebiet mit k 1 {\displaystyle k\geq 1} ist auch ein Lipschitz-Gebiet.[2]
  • Nach dem Satz von Rademacher können an einem Lipschitz-Rand fast überall Tangentialvektoren gefunden werden.[3]

Beispiele

  • Die offene Kreisfläche ist ein C {\displaystyle C^{\infty }} -Gebiet und damit auch ein Lipschitz-Gebiet.[4]
  • Die Fläche eines offenen Rechtecks ist ein Lipschitz-Gebiet, aber kein C 1 {\displaystyle C^{1}} -Gebiet.[4]
  • Geschlitzte Flächen, wie zum Beispiel die geschlitzte Kreisfläche
Ω := { x R d : | x x 0 | < R , x x 0 + λ e 1   for   0 λ < R } {\displaystyle \Omega :=\{x\in \mathbb {R} ^{d}:|x-x_{0}|<R,x\neq x_{0}+\lambda e_{1}\ {\text{for}}\ 0\leq \lambda <R\}} ,
wobei e 1 {\displaystyle e_{1}} ein Basisvektor der kanonischen Basis des R d {\displaystyle \mathbb {R} ^{d}} ist, sind keine Lipschitz-Gebiete.[4]

Theorie partieller Differentialgleichungen

In der Theorie der Sobolev-Räume tritt der Begriff des Lipschitz-Gebietes auf. So fordern beispielsweise einige Varianten des Einbettungssatzes von Sobolev, dass die untersuchten Gebiete Lipschitz-Gebiete sind. Somit sind auch viele Definitionsbereiche Lipschitz-Gebiete, die im Kontext gewisser partieller Differentialgleichungen und Variationsproblemen untersucht werden.

Einzelnachweise

  1. R. A. Adams: Sobolev spaces. 1. Auflage. Academic Press, New York, San Francisco, London 1975, ISBN 978-0-12-044150-1, S. 66. 
  2. a b R. A. Adams: Sobolev spaces. 1. Auflage. Academic Press, New York, San Francisco, London 1975, ISBN 978-0-12-044150-1, S. 67. 
  3. Giovanni Leoni: A First Course in Sobolev Spaces: Second Edition. 2. Auflage. American Mathematical Society, Pittsburgh 2017, ISBN 978-1-4704-2921-8, S. 274. 
  4. a b c Peter Knabner, Lutz Angerman: Numerical Methods for Elliptic and Parabolic Partial Differential Equations. Springer-Verlag, New York 2003, ISBN 978-1-4419-3004-0, S. 96.