Nielsen-Thurston-Klassifikation

In der Mathematik beschreibt die Nielsen-Thurston-Klassifikation die möglichen Typen der Selbstabbildungen von Flächen.

Aufbauend auf Arbeiten von Jakob Nielsen wurde sie 1976 von William Thurston mittels der von ihm konstruierten Kompaktifizierung des Teichmüller-Raums bewiesen. Einen direkten Beweis mittels Teichmüller-Theorie gab Lipman Bers.

Klassifikation

Sei S {\displaystyle S} eine geschlossene orientierbare Fläche vom Geschlecht g 2 {\displaystyle g\geq 2} und sei

f : S S {\displaystyle f\colon S\to S}

ein orientierungserhaltender Homöomorphismus. Dann gilt für f {\displaystyle f} mindestens eine der folgenden drei Alternativen.

  1. f {\displaystyle f} ist periodisch: es gibt ein n N {\displaystyle n\in \mathbb {N} } , so dass f n {\displaystyle f^{n}} isotop zur Identitätsabbildung ist
  2. f {\displaystyle f} ist reduzibel: es gibt eine endliche Familie disjunkter einfacher geschlossener Kurven, die bis auf Isotopie von f {\displaystyle f} permutiert werden
  3. f {\displaystyle f} ist pseudo-Anosovsch, d. h. Isotop zu einem Pseudo-Anosov-Diffeomorphismus

Beweisidee

Thurston konstruierte eine Kompaktifizierung des Teichmüllerraums der Fläche S {\displaystyle S} durch den produktiven Raum der gemessenen Laminierungen auf S {\displaystyle S} , so dass die Wirkung eines Homöomorphismus auf dieser Kompaktifizierung stetig ist. Thurstons Kompaktifizierung ist homöomorph zur abgeschlossenen (6g-6)-dimensionalen Vollkugel. Nach dem Fixpunktsatz von Brouwer muss die Wirkung von f {\displaystyle f} also einen Fixpunkt haben. Es gibt dann folgende Möglichkeiten:

  1. wenn die Wirkung von f {\displaystyle f} einen Fixpunkt im Inneren, also im Teichmüllerraum hat, dann ist f {\displaystyle f} periodisch und der Fixpunkt entspricht einer hyperbolischen Metrik, bzgl. der f {\displaystyle f} isotop zu einer Isometrie ist
  2. wenn f {\displaystyle f} reduzibel ist, also bis auf Isotopie eine Multikurve festlast, dann hat die Wirkung von f {\displaystyle f} einen Fixpunkt im Rand der Kompaktifizierung des Teichmüllerraums
  3. wenn die Wirkung von f {\displaystyle f} zwei Fixpunkte im Rand der Kompaktifizierung des Teichmüllerraums hat, dann ist f {\displaystyle f} pseudo-Anosovsch und die beiden Fixpunkte entsprechen der stabilen und instabilen Laminierung des zu f {\displaystyle f} isotopen Pseudo-Anosov-Diffeomorphismus

Geometrisierung von Abbildungstori

Thurston benutzte die Klassifikation der Homöomorphismen von Flächen, um die Geometrisierung 3-dimensionaler Abbildungstori zu beweisen. Diese ist wie folgt:

  1. wenn f {\displaystyle f} periodisch ist, dann hat der Abbildungstorus H 2 × R {\displaystyle \mathbb {H} ^{2}\times \mathbb {R} } -Geometrie
  2. wenn f {\displaystyle f} reduzibel ist, dann hat der Abbildungstorus eine nichttriviale JSJ-Zerlegung
  3. wenn f {\displaystyle f} pseudo-Anosovsch ist, dann hat der Abbildungstorus eine hyperbolische Struktur

Algorithmus

Es gibt zahlreiche Algorithmen, die die Bestimmung des Nielsen-Thurston-Typs einer Abbildungsklasse in polynomieller Zeit (bzgl. der Wortlänge in der Abbildungsklassengruppe) ermöglichen.

Literatur

  • J. Nielsen: Surface transformation classes of algebraically finite type, Danske Vid. Selsk. Math.-Phys. Medd. 21, 89 (1944)
  • W. Thurston: On the geometry and dynamics of diffeomorphisms of surfaces, Bull. Amer. Math. Soc. 19, 417–431 (1988)
  • L. Bers: An extremal problem for quasiconformal mappings and a theorem by Thurston, Acta Math. 141, 73–98 (1978)
  • A. Fathi, F. Lauterbach, V. Poenaru: Travaux de Thurston, Asterisque 66/67 (1979)