Plus-Konstruktion

Die Plus-Konstruktion (häufig als Quillens Plus-Konstruktion bezeichnet) ist ein Verfahren der algebraischen Topologie, das unter anderem bei der Definition der algebraischen K-Theorie Anwendung findet.

Konstruktion

Konstruktion im Fall perfekter Fundamentalgruppen

Satz: Sei X {\displaystyle X} ein zusammenhängender CW-Komplex mit H 1 ( X ; Z ) = 0 {\displaystyle H_{1}(X;\mathbb {Z} )=0} . Dann gibt es einen durch Ankleben von 2- und 3-Zellen konstruierten einfach zusammenhängenden CW-Komplex X + {\displaystyle X^{+}} und eine Inklusion j : X X + {\displaystyle j:X\rightarrow X^{+}} , so dass die induzierten Morphismen der Homologiegruppen

j n : H n ( X ; Z ) H n ( X + ; Z ) {\displaystyle j_{n}:H_{n}(X;\mathbb {Z} )\rightarrow H_{n}(X^{+};\mathbb {Z} )}

für alle n N {\displaystyle n\in \mathbb {N} } Isomorphismen sind.

Konstruktion/Beweisidee: Seien { e i : S 1 X } i I {\displaystyle \left\{e_{i}:S^{1}\rightarrow X\right\}_{i\in I}} Repräsentanten für ein Erzeugendensystem der Fundamentalgruppe π 1 X {\displaystyle \pi _{1}X} . Durch Ankleben von 2-Zellen { D i } i I {\displaystyle \left\{D_{i}\right\}_{i\in I}} mittels der Abbildungen e i : D i X {\displaystyle e_{i}:\partial D_{i}\rightarrow X} erhält man einen einfach zusammenhängenden CW-Komplex X {\displaystyle X^{\prime }} . Die lange exakte Sequenz

0 H 2 ( X ) H 2 ( X ) H 2 ( X , X ) 0 = H 1 ( X ) {\displaystyle 0\rightarrow H_{2}(X)\rightarrow H_{2}(X^{\prime })\rightarrow H_{2}(X^{\prime },X)\rightarrow 0=H_{1}(X)}

spaltet weil H 2 ( X , X ) {\displaystyle H_{2}(X^{\prime },X)} von den 2-Zellen { D i } i I {\displaystyle \left\{D_{i}\right\}_{i\in I}} frei erzeugt wird, man hat also einen Isomorphismus

H 2 ( X ) = H 2 ( X ) H 2 ( X , X ) {\displaystyle H_{2}(X^{\prime })=H_{2}(X)\oplus H_{2}(X^{\prime },X)}

und der Summand H 2 ( X , X ) {\displaystyle H_{2}(X^{\prime },X)} wird von den { D i } i I {\displaystyle \left\{D_{i}\right\}_{i\in I}} erzeugt. Weil X {\displaystyle X^{\prime }} einfach zusammenhängend ist, sind nach dem Satz von Hurewicz die Elemente [ D i ] H 2 ( X ) {\displaystyle \left[D_{i}\right]\in H_{2}(X^{\prime })} von der Form ( f i ) [ S 2 ] {\displaystyle (f_{i})_{*}\left[S^{2}\right]} für Abbildungen f i : S 2 X {\displaystyle f_{i}:S^{2}\rightarrow X^{\prime }} . (Hier bezeichnet [ S 2 ] H 2 ( S 2 ; Z ) {\displaystyle \left[S^{2}\right]\in H_{2}(S^{2};\mathbb {Z} )} die Fundamentalklasse.) Durch Ankleben von 3-Zellen { E i } i I {\displaystyle \left\{E_{i}\right\}_{i\in I}} mittels der Abbildungen f i : E i X {\displaystyle f_{i}:\partial E_{i}\rightarrow X^{\prime }} erhält man einen einfach zusammenhängenden CW-Komplex X + {\displaystyle X^{+}} mit H 2 ( X + ) = H 2 ( X ) {\displaystyle H_{2}(X^{+})=H_{2}(X)} . Weil die angeklebten 3-Zellen ihren Rand nicht in X {\displaystyle X} haben, gilt H 3 ( X + , X ) = 0 {\displaystyle H_{3}(X^{+},X)=0} , und weil lediglich 2- und 3-dimensionale Zellen angeklebt wurden, gilt H ( X + , X ) = 0 {\displaystyle H_{*}(X^{+},X)=0} für 4 {\displaystyle *\geq 4} . Also hat man auch für alle Homologiegruppen ab Grad 3 einen Isomorphismus.

Konstruktion im allgemeinen Fall

Satz: Sei X {\displaystyle X} ein zusammenhängender CW-Komplex und N π 1 X {\displaystyle N\subset \pi _{1}X} ein perfekter Normalteiler. Dann gibt es einen durch Ankleben von 2- und 3-Zellen konstruierten CW-Komplex X + {\displaystyle X^{+}} und eine Inklusion j : X X + {\displaystyle j:X\rightarrow X^{+}} , so dass der induzierte Morphismus der Fundamentalgruppen

j : π 1 X π 1 X + {\displaystyle j_{*}:\pi _{1}X\rightarrow \pi _{1}X^{+}}

die Quotientenabbildung π 1 X π 1 X / N {\displaystyle \pi _{1}X\to \pi _{1}X/N} und die induzierten Morphismen der Homologiegruppen

j n : H n ( X ; Z ) H n ( X + ; Z ) {\displaystyle j_{n}:H_{n}(X;\mathbb {Z} )\rightarrow H_{n}(X^{+};\mathbb {Z} )}

für alle n N {\displaystyle n\in \mathbb {N} } Isomorphismen sind.

Konstruktion/Beweisidee: Seien { e i : S 1 X } i I {\displaystyle \left\{e_{i}:S^{1}\rightarrow X\right\}_{i\in I}} Repräsentanten für ein Erzeugendensystem von N {\displaystyle N} . Durch Ankleben von 2-Zellen { D i } i I {\displaystyle \left\{D_{i}\right\}_{i\in I}} mittels der Abbildungen e i : D i X {\displaystyle e_{i}:\partial D_{i}\rightarrow X} erhält man einen CW-Komplex X {\displaystyle X^{\prime }} , so dass der durch die Inklusion X X {\displaystyle X\to X^{\prime }} erzeugte Homomorphismus der Fundamentalgruppen die Quotientenabbildung π 1 X π 1 X / N {\displaystyle \pi _{1}X\to \pi _{1}X/N} ist. Sei X ~ {\displaystyle {\widetilde {X^{\prime }}}} die universelle Überlagerung von X {\displaystyle X^{\prime }} und X ~ X ~ {\displaystyle {\widetilde {X}}\subset {\widetilde {X^{\prime }}}} das Urbild von X {\displaystyle X} , also π 1 X ~ = N {\displaystyle \pi _{1}{\widetilde {X}}=N} und (weil N {\displaystyle N} perfekt ist) H 1 ( X ~ ) = 0 {\displaystyle H_{1}({\widetilde {X}})=0} . Analog zu oben hat man einen Isomorphismus H 2 ( X ~ ) = H 2 ( X ~ ) H 2 ( X ~ , X ~ ) {\displaystyle H_{2}({\widetilde {X^{\prime }}})=H_{2}({\widetilde {X}})\oplus H_{2}({\widetilde {X^{\prime }}},{\widetilde {X}})} und der Summand H 2 ( X ~ , X ~ ) {\displaystyle H_{2}({\widetilde {X^{\prime }}},{\widetilde {X}})} ist der von den { D i } i I {\displaystyle \left\{D_{i}\right\}_{i\in I}} erzeugte freie Z [ π 1 X / N ] {\displaystyle \mathbb {Z} \left[\pi _{1}X/N\right]} -Modul. Weil X ~ {\displaystyle {\widetilde {X^{\prime }}}} einfach zusammenhängend ist, gibt es [ D i ] H 2 ( X ) {\displaystyle \left[D_{i}\right]\in H_{2}(X^{\prime })} realisierende Abbildungen f i : S 2 X {\displaystyle f_{i}:S^{2}\rightarrow X^{\prime }} und durch Ankleben von 3-Zellen { E i } i I {\displaystyle \left\{E_{i}\right\}_{i\in I}} mittels der Abbildungen f i : E i X {\displaystyle f_{i}:\partial E_{i}\rightarrow X^{\prime }} erhält man wieder einen einfach zusammenhängenden CW-Komplex X + {\displaystyle X^{+}} mit den gewünschten Eigenschaften.

Funktorialität

Es sei f : X Y {\displaystyle f\colon X\to Y} eine stetige Abbildung zwischen zusammenhängenden CW-Komplexen und es seien N X π 1 X , N Y π 1 Y {\displaystyle N_{X}\subset \pi _{1}X,N_{Y}\subset \pi _{1}Y} perfekte Normalteiler mit f ( N X ) N Y {\displaystyle f_{*}(N_{X})\subset N_{Y}} . Dann induziert f {\displaystyle f} eine bis auf Homotopie eindeutige stetige Fortsetzung f + : X + Y + {\displaystyle f^{+}\colon X^{+}\to Y^{+}} .[1]

Homotopiefaser

Sei B G {\displaystyle BG} der klassifizierende Raum einer diskreten Gruppe G {\displaystyle G} und N G {\displaystyle N\subset G} ein perfekter Normalteiler. Sei F {\displaystyle F} die Homotopiefaser der Plus-Konstruktion B G B G + {\displaystyle BG\to BG^{+}} , dann ist π 1 F {\displaystyle \pi _{1}F} die universelle zentrale Erweiterung von N {\displaystyle N} und π 2 ( B G + ) = H 2 ( N ; Z ) {\displaystyle \pi _{2}(BG^{+})=H_{2}(N;\mathbb {Z} )} .[2]

Algebraische K-Theorie

Hauptartikel: Algebraische K-Theorie

Sei R {\displaystyle R} ein unitärer Ring, G L ( R ) = n 0 G L ( n , R ) {\displaystyle GL(R)=\bigcup _{n\geq 0}GL(n,R)} die Gruppe der invertierbaren Matrizen über R {\displaystyle R} und B G L ( R ) {\displaystyle BGL(R)} der klassifizierende Raum von G L ( R ) {\displaystyle GL(R)} , d. h. ein asphärischer Raum mit Fundamentalgruppe G L ( R ) {\displaystyle GL(R)} . Weil die Gruppe der Elementarmatrizen E ( R ) = [ G L ( R ) , G L ( R ) ] {\displaystyle E(R)=\left[GL(R),GL(R)\right]} perfekt und ein Normalteiler ist, kann man die Plus-Konstruktion anwenden. Die algebraische K-Theorie des Ringes R {\displaystyle R} ist definiert als

K i ( R ) := π i ( B G L + ( R ) ) {\displaystyle K_{i}(R):=\pi _{i}(BGL^{+}(R))}

für i 1 {\displaystyle i\geq 1} .

Beispiel: endliche Körper

Sei K {\displaystyle K} ein endlicher Körper mit q {\displaystyle q} Elementen, dann gibt es nach einem Satz von Quillen eine Homotopieäquivalenz

B G L ( k ) + E Ψ q {\displaystyle BGL(k)^{+}\simeq E\Psi ^{q}} ,

wobei E Ψ q {\displaystyle E\Psi ^{q}} die Faser der Abbildung

Ψ q I d : B U B U {\displaystyle \Psi ^{q}-Id:BU\rightarrow BU}

(für Ψ q {\displaystyle \Psi ^{q}} die Wirkung der Adams-Operation auf dem klassifizierenden Raum der unitären Gruppe) ist. Die Homotopiegruppen von E Ψ q {\displaystyle E\Psi ^{q}} können mit Bott-Periodizität berechnet werden, als Ergebnis erhält man

K 2 i ( K ) = 0 , K 2 i 1 ( K ) = Z / ( q i 1 ) Z {\displaystyle K_{2i}(K)=0,K_{2i-1}(K)=\mathbb {Z} /(q^{i}-1)\mathbb {Z} } .

H-Raum

B G L + ( R ) {\displaystyle BGL^{+}(R)} ist ein H-Raum mittels einer von Loday definierten Verknüpfung.[3] Die Plus-Konstruktion ist universell für Abbildungen in H-Räume, d. h. jede stetige Abbildung B G L ( R ) H {\displaystyle BGL(R)\to H} in einen H-Raum H {\displaystyle H} faktorisiert über B G L + ( R ) {\displaystyle BGL^{+}(R)} .

Literatur

  • Daniel Quillen: Cohomology of groups. Actes Congrès Internat. Math. , 2 , Gauthier-Villars (1973) S. 47–51 pdf
  • Jonathan Rosenberg: Algebraic K-theory and its applications. Graduate Texts in Mathematics, 147. Springer-Verlag, New York, 1994. ISBN 0-387-94248-3
  • Charles Weibel: The K-book. An introduction to algebraic K-theory. Graduate Studies in Mathematics, 145. American Mathematical Society, Providence, RI, 2013. ISBN 978-0-8218-9132-2
  • Allen Hatcher: Algebraic topology. Cambridge University Press, Cambridge, 2002. ISBN 0-521-79160-X pdf
  • Jean-Claude Hausmann; Dale Husemoller: Acyclic maps. Enseign. Math. (2) 25 (1979), no. 1-2, 53–75
  • Plus construction (Encyclopedia of Mathematics)
  • Shah: The Quillen plus construction in algebraic K-theory
  • Hausmann: Homology bordism and Quillen plus construction
  • Friedlander: An introduction to K-theory

Einzelnachweise

  1. Rosenberg, op.cit., Proposition 5.2.4
  2. Weibel, op.cit., Proposition IV.1.7
  3. Jean Louis Loday: Structure multiplicative en K-théorie algébrique. C. R. Acad. Sci. Paris Sér. A 279 (1974), 321–324.